Leihen statt kaufen
Von A wie Abflammgerät bis Z wie Zwinge: Mehr als 3000 Sachen kann man bei Najine Ameli ausleihen. Die 45-Jährige hat diese etwas andere Bibliothek, die „Bib der Dinge“, in Bochum gegründet. Nachhaltigkeit ist ihr wichtig. Doch sie will die Leute nicht belehren: „Die meisten kommen nicht her, um etwas für die Umwelt zu tun, sondern weil sie etwas brauchen“, sagt sie. Und sparen neben Geld und Platz auch Ressourcen.
Ameli wirbelt mit einnehmendem Lachen durch die 480 Quadratmeter große Lagerhalle. In den Regalen stapeln sich Babysachen, Werkzeugkoffer und Hobbybedarf wie Inliner, Tennisschläger oder Campingausrüstungen. Für hundert Euro im Jahr kann man all das mindestens eine Woche leihen: Einfach online reservieren und an einem der vier Standorte abholen. Dazu gibt es Workshops im Repair-Café und in der Textil- oder Holzwerkstatt. „Wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe und dieses Gefühl von ‚Gemeinsam schaffen wir das‘“, sagt Ameli. Sie beobachtet, wie dies ein Umdenken bei den Leuten bewirkt.
Die Idee entstand aus ihrer Doktorarbeit, für die sie vierzig ähnliche Konzepte in aller Welt untersuchte. In ihrem Job als Industriedesignerin bemerkte sie, dass viele der entworfenen Produkte über kurz oder lang auf dem Müll landen. Im Jahr 2008 hat sie deshalb beim Designbüro gekündigt, um sich mit der „Sharing Economy“ und dem Konzept „Cradle to Cradle“ zu befassen, also einer Kreislaufwirtschaft. Viele ihrer Erkenntnisse setzte sie in Bochum ab 2020 in die Praxis um.
Heute arbeitet sie hier mit zwei Festangestellten. Sie mache „alles und nichts“, erklärt sie. Jongliert mit Zahlen, konzipiert Workshops und koordiniert Ehrenamtliche, die in der Bib mit anpacken. Neunzig Prozent der Dinge sind Spenden. So sind zum Beispiel Bohrmaschinen, Sägeblätter und Schleifpapier ihres verstorbenen Vaters in den Fundus gewandert.
Zusammen mit einem lokalen Entsorgungsunternehmen plant Ameli gerade, einen Abholschrank bei der Mülldeponie hinzustellen. Wer dort etwas ablädt, soll daraus etwas mitnehmen können. „Wir wollen die Wegwerfspirale durchbrechen.“

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