Riesa, Sachsen, im Januar 2025. Bundesparteitag, die Kanzlerkandidatin spricht. „Wenn wir am Ruder sind: Wir reißen alle Windkraftwerke nieder!“, ruft Alice Weidel mit resoluten Gesten von der Bühne. „Nieder mit diesen Windmühlen der Schande!“ Jubel im Saal, der AfD-Basis gefällt das rhetorische Kettensägenrasseln. Weidels Kampf gegen die Windmühlen passt ins Muster: Seit Jahren attackieren Mitglieder der in Teilen rechts extremen Partei die Energiewende.
„Wenn wir am Ruder sind: Wir reißen alle Windkraftwerke nieder!“
Anfangs leugnete die AfD, dass der Klimawandel überhaupt existiere. Mittlerweile bestreitet sie den menschlichen Einfluss darauf. Auf ihren Websites und auf Social Media schreiben AfD-Leute von einer „angeblichen“ Klimakrise, sehen eine „Klimahysterie“, weil sich das Klima schon immer verändert habe. Alles, was zur Abmilderung der Krise beitragen könnte, wird deshalb abgelehnt.
Welche strategischen Vorteile bringt das der AfD? Die Erderhitzung ist schließlich kein politisches Konzept, sondern ein physikalischer Fakt, der alle betrifft – und der, das nur am Rande, laut Prognosen globale Migrationsbewegungen drastisch verstärken wird.
Doch solche Argumente zählen für die Parteistrategen nicht. Klimaschutz gilt der AfD als Symbol von Bevormundung und internationaler Einflussnahme. Mit ihrer Fundamentalopposition schafft sie ein politisches Angebot, das es bei keiner anderen Partei gibt. Du findest Klimaschutz kompliziert und anstrengend? Dann wähl’ AfD!
Beim Parteitag in Riesa wettert Weidel auch gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das die Einspeisung von Ökostrom ins Netz regelt: „Weg mit dem EEG! Weg mit linker Ideologie!“ Das geplante EU-Verbrennerverbot revidieren, raus aus dem Pariser Klimaabkommen – auch solche Forderungen standen im AfD-Bundestagswahlprogramm.
Damit ist die AfD selbst im Vergleich zu extrem rechten Parteien in anderen europäischen Ländern radikal. Manès Weisskircher von der TU Dresden, Leiter der Forschungsgruppe „Rechtsextremismus versus Klima“, hat sich Programme von elf europäischen Rechts-außen-Parteien zwischen 2014 und 2023 angeschaut. Manche vertraten in dieser Zeit etwa zur Solarenergie pragmatische Positionen, sahen darin auch Chancen und Jobmöglichkeiten. Andere ignorierten das Thema oder nahmen wechselnde Positionen ein, nur drei lehnten Solarenergie ab – keine so strikt wie die AfD. Dass Solarenergie als Symbol der Energiewende pauschal verteufelt wird, ist selbst in der rechten Bubble kurios.
Der fossile Lebensstil als nationales Gut
Ihren Anti-Klima-Kreuzzug bestreitet die Partei mit zwei zentralen Erzählungen, die moralische Entlastung versprechen. Nummer eins: Wenn wir Menschen nichts fürs Klima können, müssen wir uns nicht ändern. Unser Lebensstil ist okay. Wer die AfD wählt, kann bleiben, wie er oder sie ist – in Zeiten globaler Krisen und gesellschaftlicher Herausforderungen eine verführerische Offerte. Es ist eine Art Ablasshandel: Ihr gebt uns eure Stimme. Dafür sagen wir euch: Ihr seid gut so, wie ihr seid.
In der zweiten Erzählung erklärt die AfD den fossilen Lebensstil gewissermaßen zum Nationalheiligtum und leitet daraus „typisch deutsche“ Insignien ab. Der Politikberater Johannes Hillje, der ein Buch über die Kommunikation der AfD verfasst hat, sieht ein identitätspolitisches Angebot: „Diesel, Schnitzel, Billigflug“. Klimapolitik wird als Bedrohung des „normalen“ Lebensstils gedeutet – und die AfD stilisiert sich zur Verteidigerin dieser angeblichen Normalität. „Ich lasse mir nicht mein Schnitzel wegnehmen“, erklärte Alice Weidel 2023 beim politischen Frühschoppen im bayerischen Gillamoos, obwohl das nie jemand vorhatte. Das ist Kulturkampf in Reinform.
„Ich lasse mir nicht mein Schnitzel wegnehmen“
Vor allem energiepolitisch setzt die AfD ihre Agitationsthemen, etwa beim Gebäudeenergiegesetz, dem „Heizhammer“, den sie fortwährend attackierte, oder beim Krieg in der Ukraine. Auf den russischen Überfall im Februar 2022 reagierte die EU mit Sanktionen. Gasimporte aus Russland wurden erst gedrosselt, dann gestoppt, die Energiepreise schnellten nach oben. Doch statt des Angriffskrieges erklärte die AfD die Energiewende zur Ursache der Kostenexplosion. Der gleichzeitige Ausstieg aus Kohle- und Kernkraft sei ein „Ideologieprojekt“ und habe Deutschlands Energiesicherheit schon vor dem Krieg gefährdet. Die Politik der Regierung richte sich gegen das eigene Volk. Schuld seien vor allem: die Grünen.
Überhaupt, die Grünen. Sie hat die AfD zum Feindbild erkoren, das hemmungslos gehasst werden darf. Ein Grund: Keine Partei steht programmatisch weiter von den Grünen entfernt. Der Soziologe Matthias Quent nennt das Verhältnis antagonistisch: Auf der einen Seite steht die AfD, die „Unser Land zuerst!“ fordert. Auf der anderen Seite sind die angeblich „deutschlandhassenden“ Grünen, die das Land in den Abgrund reißen. Robert Habecks Wirtschaftsministerium wurde für eine drohende „Deindustrialisierung“, Klimaschutz für „Wohlstandsvernichtung“ verantwortlich gemacht. So etwas hat Folgen: Grüne Politikerinnen und Politiker sind heute am häufigsten Opfer politisch motivierter Angriffe. Und Klimaschutz gilt vielen schon deshalb als schlecht, weil er mit den Grünen verknüpft ist.

Das strahlt auch über die Parteigrenzen hinaus. Quent spricht von „antigrüner Polarisierung“, weil auf den Oppositionsbänken des Bundestags auch die Union einstimmte – womöglich mit dem Hintergedanken, bei der Bundestagswahl Stimmen von der AfD abzugreifen. CSU-Chef Markus Söder warnte vor einer „grünen Diktatur“. Und CDU-Chef Friedrich Merz erklärte, „dass wir, wenn wir es richtig machen, eines Tages die Windkrafträder wieder abbauen können, weil sie hässlich sind“.
Eigentlich hatte Merz angekündigt, er wolle die AfD halbieren. Stattdessen verlor die Union, trotz Nettogewinnen, eine Million Stimmen an die AfD. Nun steht sie als Regierungspartei im Fokus der erstarkten AfD und ihrer Attacken – und dürfte noch mehr unter Druck geraten. Laut dem Rechtsextremismus-Monitor Cemas greifen führende AfD-Abgeordnete seit dem Bruch der Ampelregierung vor allem die Union an.
„Märchenwald“ in Gefahr – aber wodurch?
Wie plump so eine Attacke ausfallen kann, zeigte Weidel ebenfalls in Riesa, als sie der CDU-geführten Landesregierung Hessens vorwarf, den „Märchenwald der Brüder Grimm“ abholzen zu wollen, für eine „Industriebrache“ voller Windräder, wie sie später erklärte. Der Rechercheverbund Correctiv wies darauf hin, dass fast alles an dieser seit Jahren kursierenden Erzählung falsch sei. Zur Nutzung freigegeben wurden lediglich 0,15 Prozent des nordhessischen Reinhardswaldes, vor allem Nadelforst, für 18 Windräder. Der märchenhafte Urwald Sababurg ist gar nicht betroffen.
Dass Natur- und Artenschutz wichtig sind, darauf kann sich laut Umfragen eine große Mehrheit der Gesellschaft einigen, bis weit ins konservative Lager hinein. Doch die AfD kreiert einen speziellen Spin: Naturschutz wird radikal vom Klimaschutz abgegrenzt. Windräder und Fotovoltaik verteufelt die AfD als Bedrohung für Tiere und Pflanzen – und blendet dabei aus, dass die Erderhitzung ganze Ökosysteme bedroht. Der Naturschutzbund (Nabu) hat dieses Vorgehen 2022 in einer Studie beleuchtet. Immer wieder würden Akteure der Neuen Rechten, wie die AfD, den Artenschutz gegen den Ausbau der erneuerbaren Energien in Stellung bringen, nach dem Motto: Die Windräder metzeln unsere Rotmilane nieder! Ziel solcher plakativen Einwürfe, so die Nabu-Studie, sei „nicht ein selbstloser Artenschutz, sondern die Spaltung“.
Was also tun? Aus dem irrational anmutenden Ignorieren des menschengemachten Klimawandels durch die AfD und dem Umstand, dass eine gut gemachte Klimapolitik sich auf lange Sicht ökologisch wie ökonomisch und auch sozial bezahlt macht, ergeben sich Chancen für andere Parteien. Sie sollten dabei eigene Schwerpunkte setzen, statt nur auf populistische Nebelkerzen zu reagieren. Wer Klimaschutz nicht als ideologisches Projekt voller moralischer Vorwürfe, sondern als für alle lohnende Modernisierungsaufgabe begreift, kann konkrete Vorteile betonen: die Unabhängigkeit von fossilen Importen durch die Energiewende oder neue zukunftsträchtige Jobs. Auch nationale Perspektiven lassen sich stärken – zum Beispiel durch den Ausbau von Windkraft in strukturschwachen Regionen oder E-Mobilität als tragfähige Stütze der deutschen Wirtschaft.
Dem Untergangsszenario, das die AfD für ihre Anhänger beim Thema Klimaschutz bereithält, sollte man nicht ein anderes Untergangsszenario gegenüberstellen, falls wir keinen Klimaschutz betreiben. Hilfreicher wäre es, die Energiewende mit positiven Narrativen zu verknüpfen, die Brücken bauen.
Was tun, wenn jemand aus der rechten Ecke auf die Energiewende losgeht?
Eine Argumentationshilfe
- Erkläre „Energiesouveränität“. Erneuerbare Energien machen uns von fossilen Importen unabhängig und stärken die nationale Versorgungssicherheit.
- Mach die Rechnung auf. Strom aus Sonne und Wind ist in der Herstellung längst am günstigsten – das kommt nur noch nicht immer bei den Verbrauchern an.
- Betone die Chancen: Von E-Auto bis Wärmepumpe – wir sollten Klimaschutz als Chance für „Made in Germany“ nutzen.
- Sprich von „echtem“ Heimatschutz: Wem Heimat wichtig ist, der schützt Arten, Böden, Seen und den deutschen Wald vor Dürre und Bränden.
- Appelliere an die Werte: Wem Familie wichtig ist, der gibt das Land nicht in schlechtem Zustand an die Nachkommen weiter.
- Kontere Migrationsängste mit Fakten: Wer Migration begrenzen will, muss global Lebensgrundlagen erhalten. Je heftiger die Klimakrise, desto mehr Menschen werden durch Extremwetter ihre Heimat verlieren.
- Finde Dich damit ab, dass Fakten nicht immer ziehen. Rechte Ideologie ist oft faktenresistent, weil sie Privilegien verteidigen will. Ziel ist es nicht, Ideologen zu bekehren, sondern demokratische Mehrheiten zu stabilisieren. Es geht darum, ehrlich Diskutierende mit guten Argumenten zu überzeugen.

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