„Das lernst du in der Schule NICHT“

TikTok-Erinnerungsaktivismus, Oberbayern – auf Social Media richtet sie sich an Leute, denen die Nazizeit weit weg erscheint. Ihre Videos zeigen: Die Nachwirkungen sind allgegenwärtig

Susanne Siegert
©
Martin Neuhof
Text
Jan Rübel
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Min

„Das lernst du in der Schule NICHT über Nazi-Verbrechen“, verspricht Susanne Siegert auf ihren Kanälen bei Instagram und TikTok. Wer sie anklickt, hört eindringliche Sätze, schnell gesprochen, aber nicht aufgeregt. Nicht laut, aber ernst. Bei „keine.Erinnerungskultur“ spricht Siegert in kurzen Videos über gescheiterte Fluchtversuche von Jüdinnen und Juden, über die Verfolgung von lesbischen Frauen in der Nazizeit, über den alltäglichen Schrecken unter dem faschistischen Regime in Deutschland zwischen 1933 und 1945. Siegerts Posts werden von Hunderttausenden geklickt.

„Ich besuchte die Gedenkstätte Mühldorfer Hart, das größte Außenlager des KZ Dachau in meiner Heimat, als ich schon längst aus der Schule raus war“, erinnert sie sich. „Und ich fragte mich: Warum wusste ich vorher nicht davon?“ Aus dem Fragezeichen wuchs ihr Engagement. Ihre Videos richten sich an Leute, die keinen wirklichen Bezug zur Naziherrschaft haben, auch weil ihnen diese weit weg erscheint. Ein Trugschluss, sagt Siegert: „Die Spuren sind überall, und vieles ist genau und sehr konkret dokumentiert.“ Siegert wurde Erinnerungsaktivistin. Eine, die einen Nerv trifft, die richtigen Worte findet. Sie leistet eine Pionierarbeit auf Graswurzelebene, die viele überzeugt. Damit entzieht sie sich den zuweilen hohlen Phrasen des Gedenkens. „Oft sind öffentliche Erinnerungen ritualisiert“, sagt sie. „Das will ich aufbrechen.“

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