„Wer die Welt zerstört, kann sie auch retten“

Der Meeresbiologe, Fotograf und Umweltschützer Robert Marc Lehmann recherchiert weltweit – und ist davon überzeugt, dass wir Menschen die Krise, die wir verursacht haben, auch gemeinsam lösen können. Mit atmo spricht er darüber, warum das Internet für ihn der richtige Ort ist, um wachzurütteln

Robert Marc Lehmann
©
Interview
Josephine Andreoli
Fotos
Robert Marc Lehmann; Kucil Photography
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Sie kennen den Planeten von Ihren zahlreichen Reisen wie wenige andere. Wann war der Moment, als Ihnen klar wurde: Es reicht nicht, die Schönheit der Natur zu dokumentieren, ich muss für ihren Schutz aktiv werden?

Robert Marc Lehmann: Da gab es viele, viele Momente. Zwar habe ich superschöne Orte gesehen wie unberührte Urwälder oder die Antarktis – unser einziger friedlicher Kontinent, wo noch vieles in Ordnung ist. Doch an anderen war es so schlimm, dass daraus ein innerer Antrieb gewachsen ist, etwas gegen die Umweltzerstörung zu unternehmen, ob das nun illegaler Wildtierhandel, die Abholzung des Regenwaldes, der Fang von Delfinen und Haien oder die Zerstörung von Korallenriffen ist. Hinzu kommt ein sehr persönlicher Grund: Ich habe früher selbst maßgeblich an der Zerstörung mitgewirkt.

Inwiefern?

Ich habe Meerestiere gefangen und an Zoos und Aquarien verkauft, Zehntausende Tiere. Mittlerweile kämpfe ich seit mehr als 17 Jahren gegen solche und andere Naturverbrechen an.

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Mit Ihren Film- und Fotoaufnahmen wollen Sie wachrütteln. Warum nutzen Sie dafür das Internet, vor allem Ihren Youtube-Kanal?

Früher wollte ich zum Fernsehen, habe die sozialen Medien unterschätzt. Aber darüber kann man Millionen Menschen erreichen, in echten Austausch gehen und Dinge wirklich verändern.

Wie genau?

Etwa, indem ich privat und mit meiner Community mehrere Millionen Quadratmeter Wald geschützt habe. Wir haben an politisch stabilen und klimatisch sinnvollen Orten zusammen mit meiner Stiftung Mission Erde bestehende Primärwälder gekauft – und so vor der Nutzung bewahrt. Oder indem wir tonnenweise Müll aus Flüssen geborgen haben. Wir haben auch Millionen Zigarettenstummel gesammelt. Und mehrere Tonnen Geisternetze geborgen.

Sie kritisieren auch, dass Schlepp­netze den Meeresboden umpflügen und dabei Schneisen der Zerstörung hinterlassen.

Richtig. Und das ist noch nicht einmal das Schlimmste.

Sondern?

Das Schlimmste ist, dass der allergrößte Teil dessen, was aus den Netzen geholt wird, Beifang ist. Haie, Rochen, Oktopusse – alle möglichen Meerestiere, die man gar nicht haben will, gehen dann tot oder sterbend wieder über Bord. Und es juckt uns nicht, während es bei Hunden, Katzen oder Pferden einen totalen Aufschrei gäbe.

Was eine Form des sogenannten Speziesismus ist.

Ja, das musste ich auch erst einmal verstehen. So ein Hund ist für uns ein individuelles Tier, ein Freund und Begleiter. Das Schwein oder Rind ist nur ein Stückchen Fleisch oder Bärchenwurst im Supermarkt. Wir – und das galt lange auch für mich – denken oft nicht darüber nach, wie sehr dieses Tier leidet. Wir blenden das aus. Wenn die Menschen sehen könnten, was ich gesehen habe, dann würden auch sie kein Fleisch mehr essen. Das versuche ich ihnen mit meinen Filmen, Vorträgen und Büchern zu vermitteln.

Was sind die größten blinden Flecken im öffentlichen Bewusstsein, wenn es um zerstörerischen Konsum geht?

Die Ernährung zählt sicherlich dazu, weil ihre Auswirkungen riesig sind. Eine vegane Ernährung verhindert nicht nur Tierleid – an der Nutztierhaltung hängen ja viele weitere Probleme dran: von der Gülle, die Böden und Wasser belastet, über Antibiotika, die die Entstehung multiresistenter Keime fördern, bis hin zu steigenden Risiken für Zoonosen wie Covid-19. Alles hängt mit allem zusammen und befeuert sich gegenseitig. Tiere sind mit uns da, nicht für uns.

Wenn Sie sich eine bessere Welt in zehn Jahren ausmalen würden – realistisch, aber mutig gedacht: Wie sähe diese aus?

Der Fleischkonsum ist massiv gesunken. Auch die CO2-Emissionen sind nach unten gegangen. Vielleicht haben wir sogar eine effektive Möglichkeit zur Bindung und Speicherung von CO2 gefunden. Und, vielleicht der ambitionierteste Wunsch: Es gibt mehr progressive, junge Frauen in der Weltpolitik.

Und was bräuchte es, damit diese Vorstellung kein Wunschtraum bleibt, sondern Wirklichkeit wird?

Vielleicht muss es erst einmal schlimmer werden, damit die Leute aufwachen und ins Handeln kommen: heftige Regenfälle und Tornados, die Hamburg, München oder Frankfurt zerstören. Dann merken die Leute, dass Klimaschutz nicht nur viel einfacher wäre, sondern auch noch viele Milliarden Euro günstiger, als nichts an unserer Lebensweise zu ändern.

Mehr über Robert Marc Lehmann erfährst Du auf seinem Youtube-Kanal oder seiner Website.