„Wir müssen TikTok mit Wahrheit fluten“

Fabian Grischkat, einer der bekanntesten Newsfluencer Deutschlands, über den Mut, die Resignation zu überwinden, seinen Kampf gegen Desinformation und Engagement im Alltag

Fabian Grischkat
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Markus Haner
Interview
Thomas Merten
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Herr Grischkat, was macht eigentlich ein Newsfluencer?

Ich bringe aktuelle Nachrichten in eine Form, die auf Plattformen wie TikTok oder Instagram funktioniert, verständlich und nahbar. Junge Leute gehen heute selten zum Kiosk und kaufen dort die Tageszeitung. Aber Themen wie Nachhaltigkeit interessieren auch sie. Da braucht es Brücken.

Wie gehen Sie mit der negativen Nachrichtenflut um?

Ich verliere mich beruflich oft in Newstickern, lese Zeitung, schaue gern abends politische Talkshows. Manche Freunde nennen mich den Boomer der Gen Z. Privat rate ich von solch einem exzessiven Medienkonsum ab. Das Wichtigste ist: Wir leben in einem Land mit Pressefreiheit, wir können uns über alles informieren. Das ist ein unglaublicher Wert. Aber wir müssen nicht alles konsumieren. Ein täglicher Überblick und ein guter Podcast reichen manchmal. Und dann: Handy aus.

Welche Form von Hoffnung bringt uns wirklich weiter?

Wir verabschieden uns in unserem Buch bewusst von dieser Alles-wird-gut-Illusion. Dreimal beten, ein bisschen mehr lachen und dann ist die Klimakrise gelöst – das klappt nicht. Genauso lähmt es, nicht daran zu glauben, dass sich etwas ändern kann. Douglas Adams schrieb mal ironisch, Menschen könnten nicht fliegen, weil sie nicht genug daran glauben. Das trifft es: Wenn wir aufhören zu glauben, dass Demokratie, Klimaschutz und ein friedliches Miteinander möglich sind, öffnen wir den Feinden der Freiheit Tür und Tor.

Wann lohnt sich Handeln?

Es gibt diesen wunderbaren Begriff „Slacktivismus“ – wenn eine oberflächliche Kampagne den Eindruck erweckt, sie hätte etwas bewirkt, ohne dass wirklich etwas geschieht. Mein Plädoyer: Engagement braucht klare, messbare Ziele. Wenn meine Oma in Düsseldorf Zigarettenstummel sammelt, bringt sie diese zu einer Stelle, wo sie gezählt werden. Sie erhält eine Art Zertifikat – das macht stolz. Wirksames Engagement ist sichtbar und kann andere mitreißen.

Wie siehst du die Rolle von Social Media und Algorithmen, die problematische Inhalte belohnen?

Politische Inhalte werden nicht immer abgestraft. Gerade das rechte Spektrum versteht es, sich die Algorithmen zunutze zu machen – vor allem durch Emotionalisierung. Das können wir aber auch. Wir müssen nur einen anderen Ton finden. Nicht „flood the zone with shit“, sondern „flood TikTok with truth“.

Wo liegt die größte Kraft für Veränderung – im Netz oder auf der Straße?

Gerade die lokale Ebene wird oft unterschätzt. Es sind nicht nur große Debatten oder Figuren wie Trump, die die Gesellschaft verändern. Wenn irgendwo eine Bürgermeisterin Rückgrat hat und im Dorf die Regenbogenflagge hisst, bewegt sich etwas. Auch der Fußballtrainer, der jungen Leuten ein positives Weltbild vermittelt, hat Einfluss. Wandel beginnt an der Basis: beim Ehrenamt, im Verein, in der Familie. Das hat eine enorme Kraft – und genau davor fürchten sich letztlich auch die, die an Spaltung interessiert sind.

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