atmo: Herr Banaszak, das Image Ihrer Partei ist angeschlagen, sie sucht nach mehreren verlorenen Wahlen ein neues Profil. Die Linken haben bei der Bundestagswahl viele Stimmen hinzugewonnen, insbesondere von den Grünen – auch, weil sie soziale Gerechtigkeit als Thema setzten. Was können die Grünen von den Linken lernen?
Felix Banaszak: Ich bin zwar unglücklich über jeden Wähler, den wir an die Linke verloren haben. Aber gesellschaftlich sehe ich darin ein gutes Zeichen: Dass der Rechtsruck nicht unbeantwortet bleibt, dass es das Bedürfnis nach einer gerechteren Politik gibt. Der Linken ist eine beachtliche Mobilisierung in ihren Themen gelungen, das kann ich neidvoll anerkennen. Das Kernthema der Grünen, die Ökologie, ist allerdings genau so ein Gerechtigkeitsthema – und da ist mein Vertrauen in die Linken nicht sonderlich groß.
Herr van Aken, Sie waren früher Aktivist bei Greenpeace, sind dann aber 2007 zur Linken gegangen. Warum nicht zu den Grünen?
Jan van Aken: Nur weil Greenpeace auch etwas mit Grün zu tun hat? Nein. Für die Grünen haben schon bei ihrer Gründung Menschen wie meine Eltern nicht existiert, Menschen mit Arbeiterhintergrund.
Inwiefern?
van Aken: Das waren damals schon Mittelschichtkinder, die aus ihrer Mittelschichtperspektive Politik gemacht haben. Das zieht sich bis heute durch. Robert Habeck meinte einmal, Hartz-IV-Empfängern dürfe man die Heizung nicht voll bezahlen, weil sie dann mit offenem Fenster heizen würden. Da dachte ich: Du hast überhaupt keine Ahnung von den Lebensrealitäten von Menschen ohne Geld. Ich habe die Grünen nie gewählt und würde da nie eintreten.
Herr Banaszak, hat Herr van Aken einen Punkt?
Banaszak: Ich komme selbst aus einer Familie, die Hartz IV von innen kennt. Ich bin nach der Agenda-Politik bei den Grünen eingetreten, um sie sozialer zu machen. Und gemeinsam mit vielen anderen ist mir das gelungen. Für mich war das wichtigste Gesetz in der letzten Wahlperiode die Bürgergeldreform, weg von der entwürdigenden Hartz-Schweinerei. Ich hatte die Hoffnung, dass dies die Gesellschaft wieder zusammenführt. Stattdessen ist es den Konservativen gelungen, mit dem Thema weiter zu spalten – zwischen Menschen im Niedriglohnsektor und Menschen, denen es noch schlechter geht.
„Klimapolitik ist Klassenkampf.“
Jan van Aken, Linke

So lenken sie davon ab, dass die eigentlichen Gerechtigkeitsfragen ganz woanders liegen, nämlich bei der mangelnden Besteuerung hoher Vermögen und Einkommen und bei der Verteilung der Kosten der Klimakrise. Mein Blick auf grüne Politik ist von sozialen Fragen geprägt.
Wie wollen die Grünen das Image der Klientelpartei für wohlhabende Ökos loswerden?
Banaszak: Die meisten Klischees haben einen wahren Kern. Unter den Mitgliedern und Wählern, übrigens auch denen der Linken, sind viele Menschen mit guten Einkommen. Die soziale Lage entscheidet mit darüber, ob man Zeit hat, sich politisch einzubringen. Umwelt und Soziales gegeneinander auszuspielen ist falsch. Da empfinde ich manches, was aus der Linken kommt, als nicht hilfreich – ich meine nicht dich, Jan. Aber lange Zeit haben zentrale Kräfte aus der Linken ökologische Politik diffamiert und diskreditiert.
van Aken: Genau, das waren die Wagenknechte. Für die war Klimapolitik ein woker Kulturkampf. Was sie nicht ist. Für mich ist Klimapolitik Sozialpolitik, genau wie du sagst. Dass die Linken im Zweifel den Klimaschutz vernachlässigen, das gibt es mit mir nicht. Je ärmer du bist, desto stärker bist du von der Klimakrise betroffen, im Weltmaßstab oder hier in Berlin. In den reicheren Wohnvierteln hast du mehr Bäume, da hast du es kühler.
Banaszak: Bei dir weiß ich das. Aber das ist nicht der Mainstream deiner Partei. Zum Beispiel der Kohleausstieg: In Brandenburg haben die Linken in der Landesregierung dafür gesorgt, dass der nicht früher kommt. Wenn es hart auf hart kommt, entscheidet sich die Linke gegen das Klima.
van Aken: Das siehst du völlig falsch. Es gibt viele in der Partei, die kommen zum Beispiel von Fridays for Future, und die lassen da nicht locker. Gerade machen wir eine Mietenkampagne. Dazu gehört, dass die Warmmiete nicht mehr steigen darf. Wir brauchen bessere Sanierung. Die muss finanziert werden, nur nicht auf Kosten der Mieter. Das ist Klimaschutz aus der sozialen Perspektive.
Ist das der Trick, übers Klima zu sprechen, ohne das Wort „Klima“ zu benutzen?
van Aken: Nein, Klimapolitik gibt es nur sozial oder gar nicht. Die Ampel ist gescheitert, weil ihre Klimapolitik nicht sozial war. Zum Beispiel das Heizungsgesetz. Zu dessen Ende hat zwar eine rechte Bild-Kampagne beigetragen, aber am Ende scheiterte es an der sozialen Frage.
Die Forderungen der Linken, auch um zu mehr Klimaschutz zu kommen, sind radikaler als die der Grünen: etwa Milliardäre „abzuschaffen“.
van Aken: Milliardäre abzuschaffen finde ich überhaupt nicht radikal. Eine Vermögenssteuer gab es schon unter Helmut Kohl, und der war sicher kein Radikaler. Ich sage nichts gegen Menschen, die gut verdienen – ich sage etwas gegen Superreiche. Denn Superreiche sind auch super Klimaschweine. Es geht nicht um Neid, sondern um Gerechtigkeit. Der Unterschied zwischen uns und den Grünen liegt in der Wahl der Instrumente. Ich weiß nicht, ob sie so weit gehen würden, entsprechende Steuersätze einzuführen.
Banaszak: Klar wollen wir Vermögen und Einkommen fairer verteilen. Wenn manche sich einfach aus allem herauskaufen können, dann zersetzt es das Vertrauen in den Staat. Ich halte aber die Standardantwort der Linken, dass sich alle Probleme allein über Umverteilung lösen lassen, nicht für ehrlich – und nicht für ausreichend. Da steckt die Angst der Linken drin, tatsächlich über Klimapolitik, über ökologische Gerechtigkeit zu sprechen. Kluge Klimapolitik verbindet Marktmechanismen, Anreize und Ordnungsrecht. Ein Tempolimit zum Beispiel ist eine einfache Maßnahme, um Emissionen zu sparen – und senkt damit auch den CO₂-Preis für andere Bereiche. Das wirksamste Instrument für den europäischen Klimaschutz war die Einführung des Emissionshandels.
Der ETS, auf den die EU hauptsächlich setzt, um die Klimaziele zu erreichen. Er verteuert schrittweise den Ausstoß von CO₂.
Banaszak: Sein Ziel ist nicht, Emissionen teurer zu machen, sondern sie zu begrenzen. Das hat funktioniert: Der Energiesektor übererfüllt seine Ziele, die Industrie ist auf einem guten Weg. Nur dort, wo dieses Instrument bisher nicht gilt wie bei Gebäuden und im Verkehr, kommt nichts voran. Wer den Emissionshandel also infrage stellt wie die Linken, sollte erklären können, welches bessere System es gibt.
Herr van Aken, was stört Sie am Emissionshandel?
van Aken: über den Emissionshandel müssen wir gar nicht streiten. Der ist jetzt da – aber für mich bleibt das der falsche Weg. Am Ende soll wieder der Markt etwas regeln, was der Markt nicht regeln kann. Das ist der Unterschied zwischen uns, Felix: Du sagst, man müsse auch mit Marktmechanismen arbeiten. Ich sage, genau die funktionieren hier nicht. Energie ist ein Grundrecht. Damit darf man nicht spekulieren, das darf man nicht dem Markt überlassen. Der Staat muss sicherstellen, dass alle Menschen Zugang zu bezahlbarer Energie haben. Und das geht auch, ohne dass es den Staat etwas kostet. Ein guter Weg wäre ein günstiger Sockeltarif für Strom. Arme Menschen verbrauchen oft weniger Strom als Reiche, weil sie kleinere Wohnungen und weniger Geräte haben. Wir sagen also: Der durchschnittliche Verbrauch wird zu einem besonders günstigen Preis garantiert, was vor allem den Niedrigverdienern zugutekommt. Alles darüber hinaus wird teurer.
Banaszak: Das ist ein interessanter Ansatz – aber einer für die Energiewelt der Vergangenheit mit fixen Preisen von früh bis spät. Allein mit solchen Instrumenten geht der Umbau nicht schnell genug. Unser Ansatz: 600 Stunden kostenloser Strom für jeden, sobald es Sonne und Wind im Überfluss gibt und der Verbrauch die Netze stabilisiert. Und wenn ich sehe, wie wenige Jahre uns bleiben, um den Hebel umzulegen, muss ich mir doch die Frage stellen: Rette ich das Klima im Kapitalismus – oder warte ich, bis die Revolution erfolgreich war?
van Aken: Das ist jetzt billig.
Banaszak: Es ist die logische Konsequenz dieser Debatten. Wenn man die Systemfrage so groß macht, verkennt man, dass Märkte politisch gestaltet werden können. Die Aufgabe ökologischer Politik ist es, aus der sozialen Marktwirtschaft eine sozial-ökologische zu machen. Denn wir erleben Marktversagen und zugleich das Versagen von Regulierung.
van Aken: Diesen Sockelstromtarif könnte man im Bundestag sofort beschließen, ohne Revolution. Gar kein Problem. Man dreht nicht an Marktparametern, sondern macht knallharte Vorgaben. Wie beim Tempolimit.
Banaszak: Und wie genau baust du auf diese Art eine emissionsintensive Industrie zur klimaneutralen Produktion um?
van Aken: Du musst sie dem Markt entziehen. Also zum Beispiel diese Energieriesen, die sich immer wieder bereichern. Denen musst du die Macht nehmen.
Banaszak: Ich bin auch dafür, dass der Staat einen größeren Anteil an den Energienetzen besitzt. Aber das ist noch keine Antwort auf die Transformation der Stahlindustrie. Wenn mein geschätzter Kollege von der Linken, Mirze Edis aus Duisburg, sagt, die Lösung für die Misere der deutschen Stahlindustrie sei der demokratische Sozialismus, also eine Vergesellschaftung oder Enteignung der Konzerne, dann habe ich das Gefühl: Das hilft keinem seiner Kolleginnen und Kollegen, die er als Betriebsrat vertritt. Denn wir haben es mit einem Unternehmen zu tun, das im Markt agiert, aber den Wandel zu zögerlich und zu spät angegangen ist.
van Aken: Ach, Felix…
Banaszak: Ohne staatliche Unterstützung beim Klimaschutz und ohne die Perspektive, dass ein Unternehmen mit grüner Produktion Gewinne machen kann, wird der Wandel nicht gelingen. Die Weigerung, Marktmechanismen für ökologischen Fortschritt zu nutzen, wird nur dazu führen, dass es an den entscheidenden Stellen gar keinen Fortschritt gibt – oder dass er mit einer Deindustrialisierung verbunden wäre.
van Aken: Du nennst staatliche Unterstützung, also Subventionen. Das ist eben kein Marktmechanismus. In einigen Bereichen sind die notwendigen Veränderungen kostenneutral, in anderen Bereichen musst du als Staat reingehen, und das kannst du nur dann, wenn du das Geld woanders holst.
Banaszak: Aber die Stahlindustrie muss ja weiter am Markt Profite machen, sich nicht nur umbauen. Daher unser Vorschlag, unter anderem: Grünstahlquoten für die öffentliche Vergabe.
van Aken: Eine Quote? Das ist doch kein Markt.
Banaszak: Natürlich ist das Markt. Wenn man nur einen komplett unregulierten neoliberalen Kapitalismus sieht oder den demokratischen Sozialismus, blendet man doch die sozial-ökologische Marktwirtschaft dazwischen aus.
van Aken: Ihr versucht immer so zu tun, als ob die Linke sagt: nicht Markt, sondern demokratischer Sozialismus. Wenn ich sage, wir dürfen nicht mit Marktmechanismen arbeiten, heißt das ja nicht, dass der Markt abgeschafft wird. Der führt nur nicht zu einer klimafreundlicheren Produktion. Und deswegen musst du von außen ran, mit Ordnungspolitik, mit Zwang, mit Anreizen, mit Quoten. Am Ende hast du natürlich immer noch einen kapitalistischen Markt für Stahl, da sind wir uns doch einig. Klimapolitik ist Klassenkampf: Es geht darum, ob die entscheiden, die ihre Milliarden beiseite schaffen, oder ob wir als Staat entscheiden.
Banaszak: Du baust einen falschen Widerspruch auf. Einer der Gründe, warum wir jetzt so viele Erneuerbare im System haben, ist neben der Förderung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz eben der Emissionshandel, weil sich durch ihn die CO2-intensive Produktion nicht mehr rechnet. Klimaschutz bedeutet, Gemeinwohlinteressen gegen finanzkräftige Einzelinteressen durchzusetzen. Aber diese Bundesregierung, insbesondere Katherina Reiche, hat sich entschieden, fossile Geschäftsmodelle zu bevorteilen.
van Aken: Ja, gar keinen Emissionshandel zu haben ist schlechter als dieser Emissionshandel. Noch besser wäre es, komplett auf Ordnungsmaßnahmen zu setzen. Eine Folge des Emissionshandels ist, das weißt du ganz genau, dass in nicht allzu ferner Zukunft die Sprit- und Heizungspreise durch die Decke gehen werden. Das trifft die Ärmsten.
Weil dann auch Gebäude und Verkehr am europäischen Emissionshandel teilnehmen müssen, im sogenannten ETS 2, der gerade auf 2028 verschoben wurde?
van Aken: Genau. Und die Leute, die in einer alten, kaum isolierten Wohnung sitzen, müssen das ausbaden. Was glaubst du, Felix, zu welchen sozialen Verwerfungen das führen wird? Um das auszugleichen, brauchen wir das Klimageld. Das wäre die Minimalmaßnahme, damit in diesem System des Marktes nicht wieder die Ärmsten vor die Hunde gehen.
Banaszak: Deshalb wollen wir das Klimageld ja auch einführen – und können uns alle bei Christian Lindner bedanken, dass das in der Ampel nicht gelungen ist. Eine weitere Möglichkeit ist, Förderungen stärker nach dem Einkommen zu richten. Die alte E-Auto-Förderung hat sich nur am Auto orientiert, nicht daran, wer es fährt. Die Top-Managerin hat für ihren E-Smart als Drittwagen die gleiche Förderung bekommen wie der Krankenpfleger, der sich damit das erste Auto anschafft. Ich sehe aber schon die Schlagzeile in der Bild: Preishammer an der Tankstelle – wer kann sich diesen Irrsinn noch leisten? Und ihr Linken lauft Gefahr, dass ihr Teil dieser Mobilisierung werdet, die den Emissionshandel verhindern will.
van Aken: Ich würde niemals Klimaschutz torpedieren.
Banaszak: Na ja, du hast gerade selbst gesagt, der ETS 2 führt dazu, dass es allen schlechter geht. Wenn das öffentlich ständig wiederholt wird und mehr über Probleme gesprochen wird als darüber, den ETS gerecht zu gestalten, spielt das denen in die Hände, die ihn aus ganz anderen Gründen ablehnen. Wir werden 2026 einen konzertierten Angriff der Konservativen und anderer auf den ETS 2 erleben, und sie werden mit Sicherheit die soziale Frage instrumentalisieren. Der Union sind arme Menschen immer dann wichtig, wenn sie sich gegen Klimaschutz einsetzen lassen. Die Konservativen machen sich an den Green Deal heran, ans Verbrenner-Aus, an die Renaturierung. Inzwischen beginnt auch die Industrie zu sagen: Auch der bisherige Emissionshandel könne so nicht funktionieren.

„Wir müssen aus der sozialen Marktwirtschaft eine sozial-ökologische machen.“
Felix Banaszak, Grüne
van Aken: Felix, du redest über einen Pappkameraden. Der ETS ist jetzt da und es geht jetzt darum, wie wir ihn ausgestalten. All das, was du hier an die Wand malst, gilt für die CDU, da gebe ich dir vollkommen Recht, gilt für große Teile der Industrie, gilt aber nicht für die Linken.
Banaszak: Schauen wir mal in einem Jahr.
van Aken: Wir brauchen aber unbedingt vor dem Start des ETS 2 eine Lösung. Wir fordern ein Klimageld von 320 Euro, rückwirkend ab Januar 2025. Die Einnahmen aus dem Emissionshandel müssen zu hundert Prozent ins Klimageld gehen. Durch die Besteuerung des Klimageldes werden Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen deutlich stärker entlastet als hohe Einkommen.
Banaszak: Ich bin nicht dafür, dass der Betrag eins zu eins an alle zurückgegeben wird. Lieber ein sozial gestaffeltes Klimageld, gern auch regional, weil Menschen in ländlichen Regionen mehr aufs Auto angewiesen sind und höhere Kosten haben. Mit dem Rest finanzieren wir den klimafreundlichen Umbau.

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Das Klimageld ist aber erst einmal vom Tisch, stattdessen senkt Schwarz-Rot ab 2026 die Netzentgelte. Ist das gerecht?
van Aken: Über welchen Mechanismus wir gehen, ist mir am Ende relativ egal, wenn es dazu führt, dass nicht die Ärmsten die Zeche zahlen müssen. Die Miete darf zum Beispiel bei einer Sanierung nicht steigen, finde ich. Wir brauchen aber Sanierung.
Da lautet die Idee der Linken: Die Vermieter zahlen.
van Aken: Nicht ganz, die Vermieter dürfen damit nur auf Dauer keinen Gewinn machen. Am Ende muss der Staat auch da reingehen. Die von uns geforderte Vermögenssteuer hat ganz viel mit Klimagerechtigkeit zu tun. Denn ob das nun das klimaneutrale Stahlwerk ist oder die Wohnungssanierungen – das alles muss staatlich mitfinanziert werden.
Banaszak: Bei aller Sympathie für diese Logik: Über eine Vermögenssteuer, die nur Milliardäre adressiert, bekommst du all das nicht finanziert. Das sind gigantische Summen.
van Aken: Unser Modell der Vermögenssteuer bringt etwa 108 Milliarden Euro im Jahr. Ab einer Millionen Vermögen erheben wir ein Prozent Steuer, ab fünfzig Millionen fünf Prozent und ab einer Milliarde zwölf Prozent. Menschen mit über einer Milliarde haben nicht selten eine Rendite von zwölf Prozent. Da greifst du also nur die Gewinne ab. Das stört mich sogar ein bisschen. Und dann gibt es die Idee einer einmaligen Vermögensabgabe. Das sieht das Grundgesetz vor, hat Konrad Adenauer auch schon mal gemacht. Das heißt, in besonderen Krisen darf der Staat eine einmalige Vermögensabgabe nehmen, um Sonderkosten zu finanzieren – etwa für den klimafreundlichen Umbau von Häusern und Industrie. Das würde über 300 Milliarden bringen.
Herr Banaszak, finden Sie das realistisch?
Banaszak: Ich glaube nicht, dass diese Zahlen mal eben zu erreichen sind. Aber ich finde es richtig, stärker über das Verursacherprinzip zu sprechen. Wer mit fossilen Geschäftsmodellen sein Geld verdient, vielleicht sogar übermäßig viel, soll in einen Fonds einzahlen, mit dessen Hilfe sich Kommunen ans Klima anpassen können. Dann müssen sie das Geld nicht bei Kultur und Schulen einsparen.
Sie haben selbst solch einen Klimasoli gefordert, also eine Abgabe für Superreiche. Ist das bei den Grünen mehrheitsfähig?
Banaszak: Ein Klimasoli wäre so eine Idee, genau wie eine Übergewinnabgabe für Konzerne, die ihr Geld mit der Förderung und Verbrennung fossiler Energieträger verdienen. Letzteres hat bei den Grünen große Sympathien. Egal welches Instrument, Klimapolitik muss bereit sein, den Konflikt mit solchen Lobbys einzugehen, wenn man nicht riskieren möchte, dass am Ende die gesellschaftliche Unterstützung fehlt.
Herr van Aken, stimmen Sie zu?
van Aken: Ich glaube, wir kommen nicht drum herum, uns mit den Katherina Reiches und den Konzernen dahinter richtig anzulegen. Die geben freiwillig keinen einzigen Cent ab.

Felix Banaszak, geboren 1989 in Duisburg, ist seit November 2024 Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen und teilt dieses Amt mit Franziska Brantner. Er kommt aus dem industriegeprägten Wahlkreis Duisburg II, studierte Politik, Sozial- und Kulturanthropologie. Seit 2021 ist der im Bundestag. Seine Schwerpunkte sind Industrie-, Energie- und Sozialpolitik.
Jan van Aken, geboren 1961 in Reinbek bei Hamburg, ist promovierter Biologe, war UN-Biowaffeninspekteur und von 2009 bis 2017 schon einmal im Bundestag. Seit Oktober 2024 ist er Co-Vorsitzender der Linken, gemeinsam mit Ines Schwerdtner. Van Aken engagiert sich für Abrüstung, soziale Gerechtigkeit und Klimapolitik.
